Gesundheitssysteme – wer glaubt was?

Seit der gesellschaftlichen Zäsur durch Covid und den Versuchen, damit umzugehen, nehme ich eine zunehmende Rigidität wahr im Umgang mit der Gesundheit und mit verschiedenen Gesundheitssystemen und Heilmethoden. Diese Rigidität und der daraus resultierende “Glaubenskrieg” machen mir zu schaffen und lassen mich sehr vorsichtig formulieren, was ich denke, je nachdem, mit wem ich mich unterhalte. Alleine nach “westlichen” wissenschaftlichen Standards Bewiesenes gilt, alles Andere ist Scharlatanerie? Oder bringt TCM verlässlich Besserung? Oder Ayurveda? Begrüsse ich es oder werde ich misstrauisch, wenn dank KI riesige Datensätze analysiert werden können und dadurch neue, noch unbeschrittene Wege im Umgang mit der Gesundheit eingeschlagen werden? Wie gehe ich mit den Widersprüchen um, wenn dank High-Tech einerseits immer die gleichen Wenigen unanständige Profite beanspruchen, andererseits zuvor als unheilbar krank Erklärte nun doch eine lebenswerte Perspektive erhalten? Wie kann jahrtausendelange Erfahrung fair honoriert werden für bewährte, aber nicht immer “beweisbare” Behandlungsmethoden, die so vielen Menschen immer wieder geholfen haben?

Für mich erscheint es wichtig, zu erkennen, dass nicht EIN Gesundheitssystem das alleinige Wunder-Remedium ist, sondern dass verschiedene Gesundheitssysteme je verschiedene Kernbereiche haben, wo sie grosse Stärken haben, und Randbereiche, wo sie an ihre Grenzen stossen. Wenn die in zahlreichen Feldern rasch fortschreitende Entwicklung in der Schulmedizin (Stichwort KI…) die Stärken anderer Gesundheitssysteme ernst nimmt, einbezieht und so vielleicht weitere Mechanismen entschlüsseln kann, auf die sie mit der eigenen „Brille“ nicht gekommen wäre, kommen wir so richtig weiter.

Es gilt wie in vielen anderen Lebensbereichen: Ein tolerantes, offenes Miteinander, ein zugewandtes Interesse für Unbekanntes und daher vermeintlich Unverständliches bringt allen Beteiligten mehr als ein Beharren auf der Dominanz des notwendigerweise begrenzten „Eigenen“. Es gibt viel zu gewinnen, wenn man das Wagnis eingeht, die vermeintliche Sicherheit des bereits bekannten Denkgebäudes zu verlassen und sich damit die Möglichkeit eröffnet, dieses mit unerwarteten Erkenntnissen zu erweitern.

Eine unumgängliche Grundlage dazu: Respekt. Respekt vor denen, die “Anderes” wissen als ich. Respekt vor den Menschen und ihren Kulturen, die Wertvolles beitragen. Respekt vor denen, die Hilfe brauchen, aber nicht über die finanziellen Grundlagen verfügen, um die “gewohnte” Gewinnmarge der Pharma-Firmen zu generieren. Und Respekt vor Gesprächspartner*innen, die andere Erfahrungen gemacht haben als man selbst und diese teilen. Wie oft habe ich bei einem Perspektivenwechsel – oft aus freien Stücken, manchmal auch unfreiwillig oder unerwartet – schon gestaunt!

Vera Kaufmann

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